HCV-Chronologie der DHG
25.03.2008
West- und Ostfälle
West-Fälle
Bereits im August 1994 wandte sich die DHG mit der Forderung nach einer finanziellen Entschädigungsregelung für die durch Blutprodukte mit HCV infizierten Hämophilen an das Bundesministerium für Gesundheit. Minister Seehofer verwies in seinem Antwortschreiben auf den im Herbst 1994 zu erwartenden Bericht des HIV-Untersuchungsausschusses. Obwohl dieser schon im Februar 1994 eine Erweiterung des Untersuchungsauftrages auch für HCV nahe legte, erfolgte lediglich eine Behandlung des Themas im Gesundheitsausschuss, welche sich über Jahre hinzog.
Schon 1996 stellten Vertreter des BMG das HCV-Problem als nicht vergleichbar mit der HIV-Problematik dar. Eine Entschädigungsregelung wäre nur dann möglich, wenn alle Beteiligten, also auch die Bundesländer und die Industrie, ihren finanziellen Anteil, ähnlich wie beim HIV-Hilfegesetz, leisten würden. Vorwürfe oder Schuldzuweisungen, die DHG hätte zuwenig für die HCV-Infizierten getan, wurden vom Vorstand zurückgewiesen.
1997 kam es zu weiteren Gesprächen über eine HCV-Entschädigungsregelung mit Gesundheitsminister Seehofer (BMG). Die Kontakte zu den Ministerpräsidenten der Länder und der Gesundheitsministerkonferenz brachten keinen Erfolg. Die Länder lehnten eine Entschädigungszahlung ab, so dass auch der damalige Minister Seehofer keine Möglichkeiten sah, eine politische Lösung durchzusetzen.
Im August 1997 wies die DHG ihre Mitglieder in einem Rundschreiben auf die drohende Verjährung hin und forderte sie auf, ihre Ansprüche gegen die Pharmafirmen und die Bundesrepublik Deutschland geltend zu machen.
Die Pharmaunternehmen reagierten auf Anschreiben betroffener Hersteller ablehnend. Bei einem Ende 1997 stattfindenden Treffen interessierter HCV-Klagewilliger konnte keine Einigung über gemeinsame Klagen gegen die Pharmafirmen erzielt werden. Sowohl Dr. Gerhard Scheu, der ehemalige Vorsitzende des HIV-Untersuchungsausschusses, als auch Dr. Jürgen Schacht schätzten Klagen gegen die Industrie als Erfolg versprechend ein, wobei jedoch selbst bei erfolgreicher Klage ein Urteil nur für den einzelnen Kläger Gültigkeit hätte. Mehrere HCV-infizierte Hämophile reichten in Verbindung mit Rechtsanwalt Dr. Schacht Klagen gegen Hersteller ein. Einen Prozess führte Rechtsanwalt Christoph Kremer in Frankfurt, der im erstinstanzlichen Urteil zugunsten der Betroffenen ausfiel.
Der Bund verzichtete zunächst auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 1998, die Frist wurde erweitert auf 31. Dezember 1999. Nach einem Gespräch der DHG mit Gesundheitsministerin Andrea Fischer erklärte die Ministerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2000, dass die Bundesregierung bereit sei, in bis zu zehn Einzelfällen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Die Pharmaindustrie sah keine Verpflichtung, sich an einer Entschädigung für HCV-infizierte Hämophile zu beteiligen und wies die Vorwürfe zurück, verzichtete aber mit Schreiben vom 16. April 1999 auf die Einrede der Verjährung bis zum 30. September 1999.
Die DHG überprüfte die Möglichkeit für eine (Sammel)Klage in den USA.
Im Jahr 2000 lag das Buch „Deliktische Produktverantwortung für Hepatitis C-Infektionen hämophiler Patienten“ von Gerhard Scheu über die HCV-Problematik im Westen vor. Die Erkenntnisse von Dr. Scheu waren Grundlage sowohl für Klagen als auch für Gespräche mit der Arbeitsgemeinschaft Plasmaderivate herstellender Unternehmen im Februar 1999 und mit den Gesundheitsministern Seehofer und im Jahr 2000 mit Andrea Fischer.
2001 wandte sich Dr. Gerhard Scheu an das Justizministerium mit der Frage des Verjährungsverzichts bei Amtshaftungsklagen. Im Falle einer positiven Entscheidung könnte erneut über eine politische Lösung gesprochen werden. Es wurden Betroffene für Amtshaftungsklagen gesucht.
Der zwischenzeitlich aufgebaute Kontakt zu Rechtsanwalt Witti, um Klagen in den USA einzureichen, wurde abgebrochen, da eine konkrete, terminierbare Zusammenarbeit mit ihm nicht möglich war.
Im DHG-Vorstand kam es zu Auseinandersetzungen und Streitigkeiten, weil ein damaliges Vorstandsmitglied, Rechtsanwalt Köhler, die HCV-Aktion für eine eigene HCV-Kampagne nutzte, Mitglieder kontaktierte und Geld für seine Aktivitäten einforderte.
2003 nahm in den USA die Kanzlei Lieff Cabraser (LCHB) die Klagen von Hämophilen entgegen, welche sich nicht vor 1978 infiziert hatten. LCHB reichte in den USA Klagen gegen die Pharmaindustrie ein. Ca. 100 Klagen von deutschen Mitgliedern wurden in den USA eingereicht, wobei wegen fehlender bzw. unvollständiger Dokumentationen der Krankengeschichten mehrere Kläger abgewiesen werden mussten.
2004 lief der Prozess von fünf DHG-Klägern gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Amtspflichtverletzung vor dem Landgericht in Berlin. Die Klage wurde abgewiesen, eine Aufsichtsverletzung des Staates jedoch teilweise gegeben. Die Rechtsanwälte Rottmann/Kurz hatten die DHG nicht informiert, dass erst gegen die Hersteller hätte geklagt werden müssen, bevor Klage beim Landgericht eingereicht werden konnte.
Zwei Klagen gegen Hersteller wurden vor Gerichten in Köln abgewiesen. Der Frankfurter Fall wurde in zweiter Instanz abgewiesen.
Vom damaligen neu gewählten Vorstand wurde beschlossen, die politische Schiene durch Briefaktionen wieder aufzugreifen.
2005 wurden die MdBs Seehofer, Spahn und Schmidbauer erneut kontaktiert.
2006 wurde im Vorstand nochmals abgestimmt, die Bemühungen um eine Entschädigung voranzutreiben und auch finanzielle Mittel für eine externe Unterstützung einzusetzen. Auch die Vertrauensmitglieder stimmten weiteren Aktionen zu. Es wurde eine Broschüre mit Erfahrungsberichten von HCV-Betroffenen erstellt. Eine Agentur erstellte anhand dieser Berichte eine Broschüre/Pressemappe. Ca. 250 Mitglieder schrieben ihre MdBs an. Die Antwortschreiben fielen in den meisten Fällen enttäuschend aus, da sie lediglich uniform/gleichlautend die Position des BMG enthielten.
2008 erfolgte erneute Kontaktaufnahme zu einer Anwaltskanzlei wegen einer erneuten Beurteilung von Klageaussichten.
Ost-Fälle
1995 wurden die Vertrauensmitglieder in den neuen Bundesländern aufgefordert, in ihrer Region Klagewillige gegen Herstellerfirmen zu finden, mit dem Ziel, bis vor das Bundessozialgericht zu gehen. Entschädigungsanträge wurden mit der Begründung abgelehnt, dass die alten Bundesländer nicht Rechtsnachfolger der DDR seien.
1997 beschloss der Vorstand unter anderem, einen Verfassungsrechtler zu ermitteln, welcher ein Gutachten zum Unterstützungsabschlussgesetz erstellen sollte.
Im August 1998 wurde das Gutachten von Prof. Goerlich zur Situation der HCV-Entschädigung in den neuen Bundesländern auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt und dem BMG übergeben. Die DHG wandte sich nochmals an die Gesundheitsministerkonferenz.
Die zwischenzeitlich in den neuen Bundesländern von einigen Betroffenen geführten Prozesse vor den Sozialgerichten wurden alle abschlägig beschieden. Eine politische Entschädigungsregelung wird weiterhin angestrebt.
Der Prozessverlauf vor dem Sozialgericht für die Ost-Fälle verlief schleppend.
2001 wurde für den Ostfall die Klage vor dem Landessozialgericht zurückgewiesen, eine Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen wurde Widerspruch mit gleichzeitiger Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Es wurde beabsichtigt, eine Klage von HCV-infizierten Hämophilen durch alle Instanzen zu führen. Rechtsanwälte Rottmann/Kurz erklärten sich bereit, einen Fall zu übernehmen.
2004 Der Ost-Fall ruht.
Im Juli 2005 wurde der Ost-Fall vor dem Landessozialgericht geführt und abgewiesen. Darauf folgte Beschwerde beim Bundessozialgericht.
2006 wurde der Ost-Fall abgewiesen und eine Revision nicht zugelassen. Der Widerspruch gegen die Nichtzulassung wurde abgewiesen.
Siegmund Wunderlich
im Auftrag des DHG- Vorstandes