dhg

Blut verbindet alle

WFH-Kongress in Istanbul

02.07.2008

Alle bisher eingereichten Berichte

1. Bericht (siehe "News" vom 08. Juni 2008)

XXVIII. Weltkongress für Hämophilie und verwandte Blutungsstörungen lockte mehr als 4200 führenden medizinisches Fachpersonal und Delegierten aus über 115 Ländern an. Es ist der größte WFH - Kongress in Bezug auf Anzahl der Delegierten und die Zahl der vertretenen Länder.

Die DHG war mit einer Gruppe aus Vorstands- und Vertrauensmitgliedern, sowie mit Jugendvertretern dabei.

Die WFH schließt die Lücken in der Hämophilie-Behandlung
Die World Federation of Hämophilie (WFH) spielte eine Schlüsselrolle bei der Herbeiführung einer großen Verbesserungen bei der Diagnose und Behandlung aller Menschen mit Blutungsstörungen. Dazu gab es täglich von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr eine Vielzahl von oftmals übervoll besuchten Vorträgen, Workshops und eine riesige Posterausstellung.

(auf dieser Seite folgen ebenfalls noch weitere Berichte, bzw. auch in den "HBl 2/08")

S.W.

Erste Zusammenfassung (siehe "News" vom 11. Juni 2008)

WFH-Kongress in Istanbul

Der diesjährige Kongress der World Federation of Hemophila (WFH) fand von Sonntag,1. Juni, bis Donnerstag, 5. Juni, in Istanbul statt. Istanbul ist die einzige Stadt der Welt, welche auf zwei Kontinenten liegt. Diese Metropole repräsentiert Historisches und Modernes und ist mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern eine Stadt, die niemals schläft, was all diejenigen von uns leidvoll feststellen mussten, deren Hotelzimmer zur Straße hinausging.
Bereits am Sonntagvormittag gab es Vorkongress-Arbeitsgruppen (Pre-Congress Workshops) zu den Themen Frauen- und Blutungsleiden, Gentherapie, Blutgerinnung, Orthopädie, Physiotherapie, psychosoziale Belange sowie Hämophilie-Assistentinnen/-Krankenschwestern.
Für mich ist es immer ein Rätsel, warum die Vorveranstaltungen nicht normale Inhalte des Kongresses sind. Von der Thematik passen sie genau dorthin und die Art und Weise, wie sie ablaufen, ist an sich auch das, was ich von einem WFH-Kongress erwarte. Man hat Zeit, andere Interessierte zu diesem Thema zu treffen, mit ihnen zu reden, Erfahrungen auszutauschen und hat eine hohe Kompetenz durch die Leiter der Workshops.
Bereits auf dem Weg zur Abholung der Registrierungsunterlagen traf ich die ersten bekannten Gesichter und konnte mit einem informellen Austausch mit Terkel Andersen, dem Chef der Dänischen Hämophiliegesellschaft, ehemaligen EHC-Vorsitzenden und Vorstandsmitglied der WFH, beginnen. Ich traf Urgesteine der orthopädischen Hämophiliebehandlung, wie Michael Heym, welchen ich bereits während meiner Studentenzeit kennen und schätzen gelernt hatte.
Die offizielle Eröffnungsfeier war farbenprächtig mit musikalischen Darbietungen sowie Tanzeinlagen unterschiedlichster Art. Trommler, welche bereits bei der Eroberung von Byzanz hätten dabei sein können, Volkstanzgruppen, Derwische, aber auch Musik, wie man sie auf einem deutschen Schützenfest hätte hören können.
In seiner Rede zur Eröffnungsveranstaltung wies ihr Vorsitzender Mark Skinner auf die Bedeutung der WFH in ihrer 45-jährigen Geschichte hin. Insbesondere durch das GAP-Programm (Global Alliance for Progress) konnte die Situation Hämophiler in vielen Ländern verbessert werden. Dem Vorsitzenden der Türkischen Hämophiliegesellschaft, Bulent Zulfikar, war der Stolz, dass diese Veranstaltung in Istanbul stattfindet, von der Nasen- bis zur Schuhspitze abzulesen.
Der Besuch eines Kongresses kann anstrengend sein. Dies durfte ich feststellen, als ich meine Sitznachbarn beobachtete. Es ist schon eindrucksvoll, auf welche Art einige einschlafen können: im Sitzen, den Kopf nach hinten fallen lassend, langsam den Sessel hinunterrutschend sowie besonders bewundernswert völlig aufrecht sitzend, die Augen leicht geschlossen und nur ein gelegentlicher Schnarcher oder ein plötzliches Nicken des Kopfes verrät den Schläfer.
Um 7.30 Uhr morgens fanden die ersten Frühstücks-Sessions statt und um 9.00 Uhr begann das offizielle Programm mit Grundlagenvorträgen. In den kleineren Sälen gab es spezielle Themen aus den Bereichen Physiotherapie/Orthopädie, Psychosoziales, Gerinnung usw.
Schwerpunktthema dieses WFH-Kongresses war das von Willebrand-Syndrom sowie seltenere Gerinnungsstörungen.
Gelegentlich waren die Erkenntnisse der Vorträge auch von einfacher bzw. uns seit Jahren bekannter Natur. Die Orthopäden sprachen sich dieses Mal eindeutig dafür aus, dass Gelenkblutungen möglichst gar nicht erst stattfinden sollten, was auch indirekt eine Empfehlung zur primären Prophylaxe darstellte. Andererseits ...
...

(den vollständigen Artikel lesen Sie in den "HBl 2/08" im Juli!)

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Der Welt-Hämophilie-Kongress beeindruckte mich in vielfältiger Weise – nicht nur das bunte Gemisch der Menschen aus den verschiedensten Nationen sondern auch das große Angebot an Vorträgen, Posterdiskussionen, Work-Shops und Symposien. Da die Veranstaltungen gleichzeitig liefen, viel die Wahl häufig schwer – jeder war gefordert, Prioritäten zu setzen. Themen waren – Behandlung der Hämophilie, Orthopädie, Physiotherapie,  das soziale Umfeld, Hämophilie aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder und in den verschiedenen Ländern, von Willebrand-Syndrom und andere Blutgerinnungsstörungen. Was mir fehlte, war ein Treffpunkt speziell nur für PatientInnen und Angehörige zum Erfahrungsaustausch. Lediglich die Pausen als Gelegenheit hierzu ins Gespräch zu kommen waren mir zu kurz.
Beindruckend waren aber auch die gute Stimmung unter den ca. 4.200 TeilnehmerInnen, die Organisation des Kongresses und natürlich die Stadt Istanbul an sich. So viel „Europa“ hatte ich nicht erwartet. Die Stadt ist zwar leider nicht behindertengerecht, es gibt viele Stufen und schlechte Gehwege.  Aber die freundlichen Menschen, die Betriebsamkeit, das gute Wetter und das Flair dieser Metropole haben uns darüber hinweg sehen lassen und führten zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Einen herzlichen Dank an alle OrganisatorInnen und UnterstützerInnen, die so vielen Menschen aus dem Kreis der DHG die Teilnahme ermöglicht haben.

Dörte Nittka

Lebensqualität Hämophiler (siehe "News" vom 13. Juni 2008)

Hemophilia and ability to work, self-confidence,
finding a job and a partner in Germany

WFH-World Congress

June, 1st – 5th,  2008, Istanbul, Turkey

M.M. Schneider, A. Shows, K. Kinast, H. Krebs, M. Spannagl, W. Schramm.

Abt. für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie
Klinikum der Universität München
BBB e.V.

Aus der Europäischen Socio-Economic-Studie über die Lebensqualität Hämophiler liegen inzwischen viele Ergebnisse vor. Übereinstimmend ist, daß die Lebensqualität Hämophiler in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.  Zwischen 1985 und etwa 1995 waren viele Hämophile erst durch HIV und dann noch zusätzlich durch das Bewusstwerden von HCV, früher bekannt als Hepatitis NonA-NonB, stigmatisiert und in ihrem Selbstverständnis und Selbstvertrauen erheblich verunsichert mit deutlichen Einbußen an Lebensqualität.

Ich möchte Ihnen einige Graphiken aus diesen Studie zeigen:
Gemessen wurde die Lebensqualität mit dem SF 36 usw.
…..
Es geht heirbei auch um LQ in Abhängigkeit von On demand vs Prophylaxis
…..
 Prophylaxe ist zwar etwas teurer aber spart auf Dauer gesehen wegen Spätschäden Kosten ein…. usw

Wieviel an LQ von dem Vorhandensein von ausreichenden Präparaten abhängt, um gesundheitlich und damit in der LQ nicht zu sehr eingeschränkt zu sein, zeigt ein Blick nach Rumänien: kaum on demand möglich usw

Eine aufschlussreiche Untersuchung von Steinhausen (1971/72) an 43 hämophilen Jugendlichen zu psychologischen und sozialen Aspekten zeigt, welchen Schwierigkeiten hämophile Jugendliche damals (als Gerinnungspräparate noch kaum zur Verfügung standen) ausgesetzt waren, sei es in der Schule und Ausbildung, sei es in der Berufswahl, seien es die damals noch häufigen Krankenhaus-Aufenthalte, seien es die einschränkenden Gelenkschäden und orthopädischen Behinderungen, sei es in den Freizeit-Aktivitäten, im Freundeskreis, im Sport oder dann noch später, in der Partnerwahl:

    Tabelle 1 Blutungshäufigkeiten, KH-Aufenthalte (N=43)

Durchschnittliche Blutungshäufigkeit pro Jahr        24,7
        Krankenhausaufenthalte 1971                    2,7
        Krankenhausaufenthalte 1972                    2,3
        Krankenhausaufenthalts-Dauer 1971 (Wochen)       4,4          
        Krankenhausaufenthalts-Dauer 1972 (Wochen)       4,0
        Krankenhausaufenthalte pro Lebensjahr            4,6

Zu Spontanblutungen kam es in 66,7 % und Verletzungsblutungen in 33,3 % der Fälle. Zwei der 43 waren bereits im jugendlichen Alter auf einen Rollstuhl angewiesen, Drei benutzten Gehstützen, 38 brauchten keine orthopädischen Hilfsmittel.

Wegen Hämophilie wurden 17 Jugendliche ein- bis dreimal nicht versetzt auf Grund häufiger Fehlzeiten, im Durchschnitt 9,4 Wochen bis max. ½ Jahr pro Schuljahr.

Eine weitere Untersuchung führte Steinhausen an 54 erwachsenen Hämophilie-Patienten in den Jahren 1971/72 durch, also noch vor HIV und erst recht lange vor der Frage, ob eine Prophylaktische- einer On-Demand-Behandlung vorzuziehen ist.
       
Erwachsene Hämophile (N=54), Blutungshäufigkeiten, KH-Aufenthalte
Blutungsanzahl 1971                    26,5
        Durchschnittliche Blutungsanzahl pro Jahr        21,0
        Krankenhausaufenthalte 1971                    1,0
        Krankenhausaufenthalts-Dauer 1971 (Wochen)       5,1    
        Krankenhausaufenthalte pro Lebensjahr            1,7

Spontanblutungen in 69,8 %, Verletzungsblutungen in 30,2 % der Fälle.
    7 der 54 mit Rollstuhl, 2 mit Gehstützen, 45 ohne orthopädischen Hilfsmittel.

Conclusion of Steinhausen: Den erwachsenen Hämophilen ist trotz mannigfacher Krankheitsbelastungen z.T. eine positive soziale Integration dann gelungen, ...

...

...


Wenn wir die Ergebnisse aus unseren Untersuchungen mit denen von Steinhausen von vor über 35 Jahren vergleichen, kommen wir zu der Aussage, daß Hämophile in heutiger Zeit um ein vieles mehr sozial integriert sind als vor 35 Jahren. Besonders, wenn wir bedenken, daß die prophylaktische Behandlung mit Gerinnungspräparaten inzwischen zur Standardtherapie von hämophilen Kindern und Jugendlichen gehören sollte, womit längere Krankenhausaufenthalte, Fehlzeiten in der Schule oder im Beruf und einschränkende Gelenkschäden weitgehend vermieden werden können, was früher zum Alltag und Schicksal der Hämophilen dazu gehörte.

Daß die soziale Integration und das Selbstvertrauen der Hämophilen, die durch HIV und HCV erschüttert und erheblich erschwert wurde, wieder Normalität erreicht hat u und noch weiter steigt , zeigen die deutlichen Ergebnisse der eingangs erwähnten European Socioeconomic Studies sowie zum Abschluss eine vorläufig letzte Graphik aus unserer aktuellen Untersuchung:
Dargestellt sind die aktuellen (2007/08) Psychosozialen Parameter, u.a. ‚stable self-esteem’ als ein Marker für selfconfidence, der noch lebenden 18 HIV-negativen Hämophilen im Vergleich zu den 17 HIV-infizierten ‚longterm-survivors’ der ursprünglich 22 HIV-neg. vs. 30 HIV-pos. Patienten von 1985. Es spricht für sich, daß zwischen beiden Gruppen kaum mehr Unterschiede bestehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 

Mit freundlicher Erlaubnis der DHG zur Verfügung gestellt durch M.M. Schneider

(den vollständigen Vortrag lesen Sie in den "Hämophilieblättern „3/08")

Zusammenfassung Wyeth-Symposien (siehe "News" vom 15. Juni 2008)

WFH 2008 Istanbul

Zusammengefasst von Dr. Martina Westfeld, Medical Managerin Hämophilie,

Recombinant products in hemophilia A management – assessing the evidence, considering the future – Rekombinante Produkte in der Therapie der Hämophilie A – Bewertung der Evidenz, Ausblicke für die Zukunft

Chair: Jorgen Ingerslev

1. Die Entwicklung der Herstellungsprozesses von rekombinanten Faktor VIII Produkten (Dr. Stacey Weston, USA)

Im Vortrag von Stacey Weston wurde die Entwicklung der rekombinanten Faktor VIII Produkte sehr anschaulich dargestellt. Beginnend mit den Produkten der ersten Generation Anfang der 90er Jahre, die sowohl im Herstellungsprozess als auch in der Endformulierung humanes Albumin zur Stabilisierung benötigten. Etwa 10 Jahre später folgte die zweite Generation an FVIII Produkten, die z.T. neue strukturelle Eigenschaften aufwiesen (z.B. Entfernung der für die Gerinnung bedeutungslosen B-Domäne). Zudem war ReFacto das erste FVIII-Präparat, das in der Endformulierung frei von humanem Albumin zur Stabilisierung war. Im nächsten Schritt erfolgte bei den Produkten der dritten Generation die Entfernung von Albumin aus dem Herstellungsprozess und der Formulierung. Eine zusätzliche Weiterentwicklung der dritten Generation stellt die Einführung einer Virusfiltration und die Entfernung sämtlicher exogener humaner oder tierischer Proteine dar, was die Virussicherheit erhöht. Außerdem kann bei der Aufreinigung auf Mausantikörper verzichtet werden, war vor allem im Hinblick auf allergische Reaktionen ein wichtiger Schritt ist. Dr. Weston schlussfolgerte, dass diese Weiterentwicklung, die von Wyeth im Laufe des kommenden Jahres eingeführt wird, die rekombinante FVIII Technologie auf den höchstmöglichen Sicherheitsstandard bringt.

2. Aktuelle klinische Ergebnisse zu einer neuen rekombinanten FVIII-Therapie (Dr. Laszlo Nemes, Ungarn)

Dr. Nemes präsentierte die Ergebnisse der klinischen Studien zum weiterentwickelten ReFacto (voraussichtlicher Handelsname ReFacto AF, Wirkstoff: Moroctocog alfa (AF-CC)). Zunächst zeigte er anhand einer pharmakokinetischen Analyse von ReFacto AF im Vergleich zum bisherigen ReFacto, dass beide präparate bioäquivalent sind. Dies ist die Grundlage für eine vergleichbare Wirksamkeit des weiterentwickelten Präparates. In einer weiteren Studie wurden die pharmakokinetischen Parameter von Moroctocog alfa (AF-CC) mit denen des Volllängenpräparats Advate verglichen. Auch hier zeigten beide Präparate eine Bioäquivalenz. Studien an zuvor behandelten Patienten zeigten darüber hinaus, dass Moroctocog alfa (AF-CC) in der On-Demand-Behandlung, Prophylaxe und bei Operationen wirksam und sicher ist. 92,5 % der Blutungen konnten mir 1 oder 2 Infusionen gestoppt werden, bei 2/81 Patienten trat ein niedrig-titriger, transienter Hemmkörper auf, der klinisch nicht relevant war.

3. Forschung, Ausbildung und klinische Behandlung der Hämophilie – Europäische Bemühungen zur Harmonisierung und Dokumentation (Prof. Jorgen Ingerslev, Dänemark)

Prof. Ingerslev gab in seinem Vortrag einen Überblick über verschiedene europäische Hämophilie-Organisationen (Fokus auf der EAHAD – European Association for Haemophilia and Allied Disorders), Pharmakovigilanzaktivitäten, nationale und internationale Register, Beobachtungsstudien zur Überwachung der Arzneimittelsicherheit sowie einen Ausblick in die Zukunft. Er machte bei allen Teilen deutlich, dass aufgrund der geringen Patientenzahl in der Hämophilie die Beobachtung der Präparate nach der Zulassung von besonderer Bedeutung sind. Zu diesem Zweck dienen auch die nationalen und internationalen Register, hier präsentierte er beispielsweise Daten aus dem britischen Register, in dem 5.800 Patienten registriert sind. Unter den Beobachtungsstudien stellte er besonders die Daten aus der deutschen und österreichischen Pharmakovigilanzuntersuchung zu ReFacto in den Vordergrund. Seit Marktzulassung von ReFacto im Jahr 1999 werden in dieser Untersuchung kontinuierlich Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit gesammelt. Mittlerweile sind 261 Patienten eingeschlossen, wovon 22 zuvor unbehandelt waren. Die Ergebnisse, die von Pollmann et al. auf der GTH und WFH 2008 als Poster vorgestellt wurden, belegen, dass ReFacto wirksam und sicher ist. So entwickelten beispielsweise nur 3 der 22 eingeschlossenen PUPs einen Hemmkörper, was einer Häufigkeit von 13,6 % entspricht.

4. Neue Wege zur Dokumentation der Patiententherapie (Dr. Wolfgang Mondorf, Deutschland)

Dr. Mondorf stellte in seinem Vortrag das elektronische Dokumentationssystem Haemoassist vor, welches mit Unterstützung von Wyeth Pharma von einer Projektgruppe um Dr. Mondorf, Dr. Pollmann und Dr. Klamroth entwickelt worden ist. Das System besteht aus einem Handcomputer, auf dem der Patient seine Substitutionsdaten eingibt. Diese Daten werden pseudonymisiert und dann verschlüsselt an einen Server gesendet, auf den der Arzt passwortgeschützt zugreifen kann. Somit ist es dem Arzt möglich, auch in der Zeit, in der er keinen direkten Patientenkontakt hat, über die Therapie des Patienten informiert zu sein und potenzielle kritische Behandlungssituationen zeitnah zu erkennen. Zusätzlich unterstützt wird er dabei durch sog. Reminder, die vom System automatisch generiert werden, wenn eine möglicherweise kritische Behandlungssituation vorliegt. Das System wurde bisher in 19 Behandlungszentren in Deutschland implementiert. Die Projektgruppe wurde im November 2007 mit dem Innovationspreis 2007 der deutschen Gesellschaft für Telemedizin ausgezeichnet.

5. Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten der Hämophilie (Dr. Brian Colvin, Großbritannien)

Dr. Colvin präsentierte die Einrichtungen und Ansätze von Wyeth Pharma zur Weiterentwicklung der Hämophilie-Therapie. Neben den verschiedenen Forschungsstandorten stellte er vor allem das vielfältige Engagement von Wyeth in der Hämophilie dar. Im letzten Jahr wurden insgesamt vier Forschungskooperationen geschlossen, die das Ziel haben, ein Produkt mit verlängerter Halbwertszeit herzustellen.

Real people, Real Solution: Clinical Cases in Hemophilia B – Echte Patienten, echte Lösungen: klinische Fallberichte der Hämophilie B


Chair: Prof. Alessandro Gringeri

1. Behandlung der Hämophilie B beim erwachsenen („reifen“) Patienten (Dr. Jerry Teitel, Kanada)

Dr. Teitel, der den ersten bekannten Hämophilie-B-Patienten Christmas in der späteren Phase bis zu seinem Tod behandelte, präsentierte den Fall des „Mr. X“, einem 1945 geborenen Patienten mit schwerer Hämophilie B. In seiner Jugend erhielt dieser lediglich geringe Substitutionen, später infundierte er sich Prothrombin-Komplex-Konzentrate bis 1998, als er auf ein rekombinantes FIX Präparat (BeneFIX) umgestellt wurde. Mit einer prophylaktischen Therapie alle 5-6 Tage ist er heute im Wesentlichen blutungsfrei.

Bei einem Arztbesuch 2007 klagte der Patient über Hüftschmerzen. Röntgenaufnahmen zeigten fortgeschrittene Gelenkschäden. Weitere Gelenke, wie Ellbogen und Knöchel zeigten ebenfalls eingeschränkte Beweglichkeit. Aufgrund seiner Karriere im Gesundheitswesen lehnte er eine wiederherstellende Operation des Hüftgelenks ab. Im Jahr 2008 stellte er sich erneut vor. Eine Hüftgelenksersatz-Operation ist für den Sommer geplant.

2. Behandlung von Inhibitoren in der Hämophilie B (Dr. Roswith Eisert, Hannover)

Frau Dr. Eisert stellte einen Hämophilie B Patienten vor, der im Zentrum schon seit über 20 Jahren eine Substitutionstherapie mit FIX erhielt. Der Patient zeigte kaum messbare FIX Spiegel, ein Hemmkörper konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Außerdem hatte der Patient Schwellungen in allen Gelenken der Hände und Füße und eine transfusionsbedingte Hepatitis C.  Er erhielt eine antivirale Therapie gegen die Hepatitis C, während der die Schwellungen der Gelenke verschwanden, jedoch nach Absetzen der Therapie erneut auftraten.

Nachdem die Hepatitis C erfolgreich therapiert war, bot sich die Möglichkeit einer immunsuppressiven Therapie nach dem Malmö-Protokoll. Als FIX-Produkt in diesem Regime wurde BeneFIX verwendet, da es das Produkt mit der höchsten Reinheit ist und so zu keiner zusätzlichen Beeinträchtigung des Immunsystems durch andere Proteine führt. Der Patient sprach gut auf die Therapie an und zeigte im weiteren Verlauf normale FIX-Spiegel. Die Therapie wird bei dem Patienten fortgesetzt, um so hoffentlich einen dauerhaften Therapieerfolg zu erzielen.
 
3. Patienten-fokussierte Behandlung (Debra Pollard, London)

Frau Pollard zeigte aus Sicht der Krankenschwester Fälle von Jungen, die in verschiedenen Altern die Selbstinfusion gelernt haben. Sie machte deutlich, dass es nicht ausreichend ist, die reine Technik der Infusion zu vermitteln, sondern besonders das Verständnis für die Erkrankung und mögliche Folgeerscheinungen – besonders im jugendlichen Alter – zu schaffen. Nur so kann eine dauerhafte Compliance der heranwachsenden Jungen gewährleistet werden.

(Erscheint in den "HBl 3/08")

WFH 2008, CSL Behring Symposium (siehe "News" vom 17. Juni 2008)

Im Rahmen des diesjährigen WFH in Istanbul führte CSL Behring ein Symposium zu „Gerinnungsfaktoren – molekulare Attribute und ihre klinische Bedeutung“ durch. Unter dem Vorsitz von D. Lillicrap (Kingston, Kanada) und P.W. Kamphuisen (Amsterdam, Holland) wurden drei Vorträge gehalten. Als erstes gab D. Lillicrap einen Übersichtsvortrag über die Verlängerung der Halbwertszeit von Gerinnungsfaktoren und beleuchtete den aktuellen Stand.

Der nächste Vortragende war S. Schulte, Leiter Forschung & Entwicklung CSL Behring, Marburg. Er stellte einen neuen Ansatz zur Verlängerung der Halbwertszeit von Gerinnungsfaktoren vor, ein rekombinantes Albumin-Fusionsprotein. Diese innovative Strategie basiert auf der Bildung von Fusionsproteinen mit langlebigen Trägerproteinen wie z. B. Albumin. Albumin ist mengenmäßig das häufigste Plasmaprotein und hat eine Halbwertszeit von ca. 20 Tagen. Physiologisch ist Albumin das Träger- und Transportprotein.

An dieses rekombinante Albumin wird rekombinanter Faktor VIIa gekoppelt. Für Hämophiliepatienten mit Hemmkörpern gegen Faktor VIII ist aktivierter FVIIa eine Therapieoption zur Kontrolle von Blutungsepisoden. Die kurze Halbwertszeit des FVIIa von ca. 2,5 Stunden macht in Blutungssituationen häufig eine wiederholte Gabe erforderlich. Das von CSL Behring neu entwickelte rVIIa-Albuminfusionsprotein zeigte in Tierexperimenten im Vergleich zu nicht albuminfusionierten rFVIIa eine 6 – bis 9-fache Verlängerung der Halbwertszeit und eine etwa 2-fach höhere Recovery. Diese Technik stellt einen vielversprechenden Ansatz für die Herstellung von Gerinnungsfaktoren mit einer verlängerten Halbwertszeit dar.

Der letzte Vortrag beschäftigte sich mit dem von-Willebrand-Faktor und dessen Bedeutung für die Thrombus-Bildung. A. J. Reininger (München, Deutschland) stellte eindrucksvoll die Bedeutung des von-Willebrand-Faktor für die Blutgerinnung unter physiologischen Bedingungen dar. Vom Herzschlag angetrieben unterscheiden sich die Fließgeschwindigkeiten des Blutes nicht nur in den einzelnen Gefäßabschnitten, sondern auch innerhalb ein und desselben Gefäßes: Die Fließgeschwindigkeit steigt von der Gefäßwand zur Gefäßmitte hin an. Das für die Gerinnung wichtige Zusammenbringen der Reaktionspartner Thrombozyten und Gefäßwand unter Strömungsbedingungen wurde von ihm im Labor simuliert. Hier zeigt sich die wichtige Rolle des von-Willebrand-Faktors (vWF), der einerseits an das freiliegende Kollagen der Gefäßwand und andererseits an die Thrombozyten bindet. Die Besonderheit dabei ist, dass der im Plasma in globulärer Form vorliegende vWF erst durch die Strömung langgestreckt werden muss, um seine Bindungsstellen optimal den Thrombozyten zu präsentieren. Die hochmolekularen Multimere sind hämostatisch am aktivsten. Sie sind unmittelbar an der Verletzungsstelle konzentriert und spielen eine wichtige Rolle sowohl bei der Initiierung und Beschleunigung der nachfolgenden Gerinnung als auch beim weiteren Thrombuswachstum.

Dr. Claudia Zacharias
(CSL Behring)

(Erscheint in den "HBl 3/08")

WFH- Kongressbericht 2008

Zusammenfassung LFB-Symposium 

Im Rahmen des LFB-Symposiums auf dem WFH-Kongress, der vom 1. bis 5. Juni in Istanbul stattfand, gingen namhafte Wissenschaftler unter Vorsitz von Annie Borel-Derlon, Caen, Frankreich, und der Moderation von Wolfhart Kreuz, Frankfurt, der provokanten Frage nach:

Von Willebrand-Erkrankung – ein Faktor VIII-Mangel?
Vorgestellt wurde ein von Willebrand-Faktor (vWF)-Präparat mit einem sehr geringen Faktor VIII-Gehalt (FVIII). Das Präparat normalisiert primär die Blutgerinnung und stabilisiert den körpereigenen freigesetzten FVIII. Das seit mehr als 15 Jahren in Frankreich eingesetzte vWF-Konzentrat ist derzeit in Deutschland noch nicht zugelassen; die Zulassung wurde inzwischen auch hier beantragt. 

Augusto Federici, Mailand, stellte zwei italienische Register mit insgesamt 1234 von Willebrand-Patienten vor. Als „Spitze des Eisbergs“ bezeichnete er Patienten mit einer vWF-Aktivität (Ristocetin Co-Faktor) unter zehn Prozent sowie einem FVIII-Spiegel kleiner als 20 Prozent der Norm, wie es beim Patienten mit Typ 3 sowie bei schweren Fällen bei Typ 1, 2A und 2M gesehen wird. 84 Prozent aller registrierten Patienten hatten allerdings einen FVIII-Spiegel von über 20 Prozent.

147 Blutungsepisoden/chirurgische Eingriffe wurden mit Faktor VIII/vWF-Konzentraten  behandelt; dreiviertel dieser Patienten litten an VWD Typ 3.

Laut Federici ist auch der Bleeding Severity Score (BSS), der verschiedene blutungsrelevante Parameter zu einem Wert zusammenfasst, ein wichtiger Schlüssel, um Blutungsneigungen einzelner Patienten sowie den Therapiebedarf mit DDAVP oder Plasmapräparaten einzuschätzen. 

Über einen Zeitraum von vier Jahren wurden 30 von Willebrand-Patienten mit dem französischen von Willebrand-Präparat, das fast keinen Faktor VIII enthält, im Rahmen von Operationen behandelt. Savita Rangarajan, London, zeigte bei ihrer Präsentation sehr gute Ergebnisse sowohl nach Bolusgaben (einzelne Injektionen) als auch bei kontinuierlichen Infusionen. Insgesamt 75 chirurgische Eingriffe wurden unter Gabe des französischen von Willebrand-Konzentratsin dieser Klinik durchgeführt; die Wirksamkeit wurde mit sehr gut beurteilt. Obwohl dieses von Willebrand Präparat in Großbritannien noch nicht zugelassen ist, wurde es aus Sicherheitsgründen(kein erhöhtes Thromboserisiko und besonders hohe Virussicherheit) eingesetzt.  

Jenny Goudemand, Lille, Frankreich, stellte diesen neuen spezifischen Ansatz in der Therapie der von Willebrand-Krankheit dar. Es handele sich um ein quasi „reines“ Konzentrat des von Willebrand-Faktors mit einem geringen FVIII-Anteil. Die körpereigene FVIII-Produktionsrate liege bei ≈ 6 dl/kg bei Typ 3-Patienten und erreiche gerinnungswirksame Blutspiegel (> 40 Prozent) innerhalb von etwa sechs Stunden.  

Im letzten Vortrag berichtete Annie Borel-Derlon über die Ergebnisse der klinischen Studien mit diesem von Willebrand-Präparat. Darin eingeschlossen waren 50 Patienten, bei denen DDAVP, die Standardbehandlung bei den meisten VW-Patienten, nicht eingesetzt werden konnte oder unwirksam war. Der VW-Faktor zeichnet sich aus durch seine Wirksamkeit bei schwerwiegend erkrankten von Willebrand-Patienten in Blutungsepisoden, zur Blutungsvorbeugung und -therapie anlässlich Operationen oder zur langfristigen Prophylaxe.

Die Ergebnisse dieser Therapie wurden bei Blutungsepisoden zu 89 Prozent als exzellent/gut bewertet; bei Operationen betrug diese Einschätzung sogar 100 Prozent. In Situationen, in denen ein sofortiger Anstieg des FVIII notwendig ist, muss bei der Erstinjektion zusätzlich ein FVIII-Präparat einmalig verabreicht werden, führte die Vorsitzende des Symposiums weiter aus. Die Mehrheit der Patienten profitierten jedoch von einer vWF-Monotherapie.

Betina Müller-Plettenberg, LFB GmbH

Octapharma Symposium anlässlich des WFH Kongresses 2008 

“von Willebrand factor in FVIII complex concentrate from laboratory to clinical practice”

Inhibitoren gegen Faktor VIII sind heute eine der größten Herausforderungen in der Hämophilietherapie. Vieles deutet darauf hin, dass von Willebrandfaktor (vWF) stabilisierte Konzentrate ein geringeres Inhibitorrisiko gegenüber Präparaten ohne vWF haben.

Ebenso belegen Studien für vWF-haltige Präparate eine höhere Erfolgsrate bei der Immuntoleranzinduktion (ITI), der einzigen Strategie zur langfristigen Inhibitorelimination.

Während des von D. Lillicrap (Canda) und E. Berntorp (Schweden) moderierten Symposiums wurden Mechanismen zur Funktion des vWF bei der ITI  diskutiert sowie Ergebnisse klinischer Studien und Fallbeispiele aus der Praxis.

Kann die in-vitro-Auswahl von Konzentraten vor ITI die Erfolgsrate optimieren?

Dies ist Gegenstand einer prospektiven Beobachtungsstudie (OBSITI), die W. Kreuz (Frankfurt) vorstellte.

Berntorp zeigte, dass in dem von ihm verwendeten in-vitro-Test das FVIII/vWF-Konzentrat von Octapharma im Vergleich mit rekombinanten Konzentraten durch Inhibitoren weniger gehemmt wird.

Im prospektiven Arm der Studie werden Inhibitorpatienten nach dem Bonn-Protokoll zur Immuntoleranzinduktion (ITI) behandelt. Bereits 25 Patienten haben die ITI abgeschlossen.

Welche immunologischen Mechanismen führen zu einer erfolgreichen ITI?

S. Lacrois-Desmazes (Paris) stellte eine neue Studie vor, die diese Frage durch die Untersuchung von immunologischen Markern bei Patienten im Verlauf der ITI klären soll. 

Die Behandlung von Inhibitorpatienten mit einer schlechten Erfolgsaussicht stellt eine besondere Herausforderung dar. Dass auch solche Patienten von einer ITI profitieren können, zeigte N. Zozulya (Moskau) mit einer Erfolgsrate von 89 Prozent mit dem FVIII/vWF-Konzentrat von Octapharma. 

Frau Escuriola (Frankfurt) resümierte abschließend die niedrigen Inhibitorinzidenzen einiger vWF-haltigen Konzentrate und stellte unser FVIII/vWF-Konzentrat mit einer extrem niedrigen Inzidenz von 9,1 Prozent bei PUPs besonders heraus.

Bärbel Helmich
Octapharma GmbH

BayerSchering Pharma Symposien

„Herausforderungen in der Hämophilie-Behandlung meistern“ – unter diesem Titel veranstaltete Bayer Schering Pharma Anfang Juni 2008 auf dem WFH-Kongress in Istanbul ein Satellitensymposium. Von der Entwicklung von Hemmkörpern über die Prophylaxe bei erwachsenen Hämophilie-Patienten bis zu einem Ausblick auf neue Forschungsarbeiten reichte der Bogen des Symposiums unter Vorsitz von Professor Johannes Oldenburg aus dem Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn.

Professor Jørgen Ingerslev von der Universität in Aarhus, Dänemark, gab einen Überblick über neue Studienergebnisse mit Faktor VIII-Präparaten. Die Wirksamkeit und Sicherheit von rekombinanten Faktorenkonzentraten ist gut belegt und diese Präparate werden heute breit eingesetzt. In den letzten Jahren wurde diskutiert, ob sich unter Behandlung mit rekombinanten Faktorkonzentraten häufiger Hemmkörper bilden als bei der Behandlung mit plasmatischen Faktorkonzentraten. Zulassungsbehörden und Fachgesellschaften empfehlen zur Klärung dieser Frage Untersuchungen an vorbehandelten Hämophilie-Patienten, so genannten PTPs. Ergebnisse solcher Studien mit dem rekombinanten Faktor VIII-Präparat von Bayer berichtete Professor Ingerslev in seinem Vortrag. Dabei zeigte sich insgesamt eine sehr niedrige Zahl unerwünschter Nebenwirkungen; insbesondere lag der Anteil von PTPs, die einen positiven Hemmkörpertest hatten, bei unter 0,2 Prozent. Das rekombinante Faktor VIII-Präparat von Bayer erwies sich damit als Faktorkonzentrat mit einem sehr geringen Risiko für die Hemmkörperbildung.

Über Prophylaxe bei Erwachsenen und die langjährigen Erfahrungen aus dem eigenen Zentrum sprach anschließend Professor Oldenburg aus Bonn. Prophylaxe statt Behandlung nach Bedarf gilt für Kinder und Heranwachsende mit Hämophilie heute in Deutschland als Standard. Auch wenn es unbestritten ist, dass durch eine Prophylaxe Blutungen und die Ausbildung nachfolgender Gelenkschäden verhindert werden können, so gehen die Meinungen über die Notwendigkeit einer Prophylaxe bei erwachsenen Hämophilie-Patienten noch auseinander. Die Erfahrungen aus dem Bonner Hämophiliezentrum, wo seit den 1970ern etwa 90 Prozent der erwachsenen Hämophilie-Patienten eine Prophylaxe erhalten, zeigen eindrucksvoll, dass auch bei Erwachsenen durch eine Prophylaxe Blutungen verhindert werden. Patienten, die bereits Schäden an zahlreichen Gelenken aufweisen, konnten nach den Bonner Erfahrungen durch eine Prophylaxe so weit stabilisiert werden, dass sie weiterhin ihren Beruf ausüben und eine akzeptable Lebensqualität erreichen konnten.

Über die Ergebnisse einer Prophylaxe bei heranwachsenden oder bereits erwachsenen Hämophilie-Patienten berichtete auch Dr. Antonio Coppola von der Universität Neapel in Italien. In der von ihm vorgestellten POTTER-Studie wurden in elf italienischen Zentren 58 Patienten mit schwerer Hämophilie über drei Jahre mit dem rekombinanten Faktor VIII-Präparat von Bayer behandelt. Die Ergebnisse einer Zwischenauswertung nach den ersten zwei Jahren zeigten klar, dass im Vergleich zu einer Behandlung nach Bedarf die Patienten unter Prophylaxe weniger Gelenkblutungen erlitten, einen besseren orthopädischen Status (PETTERSSON Score) aufwiesen und weniger Tage in Schule, Ausbildung oder Beruf fehlten. Der Verbrauch an Faktorkonzentrat war in der Gruppe mit Prophylaxe erwartungsgemäß höher als bei der Behandlung nach Bedarf. Wie sich der Kostenvergleich aber darstellt, wenn man die Einsparungen durch die besseren Therapieergebnisse und insbesondere den Gewinn an Lebensqualität berücksichtigt, wird die Endauswertung der Untersuchung zeigen.

Schließlich gab es einen Blick in die Zukunft: Dr. Dr. Georg Lemm, der Leiter der weltweiten klinischen Entwicklung für die Hämophilie-Produkte bei Bayer, berichtete über erste Ergebnisse mit der Forschungssubstanz BAY 79-4980. Dabei handelt es sich um rekombinanten Faktor VIII, der an PEGylierte Liposomen gebunden ist. Erste Ergebnisse zeigen, dass BAY 79-4980 gut vertragen wird und so wird jetzt in einer klinischen Studie mit insgesamt 250 Patienten untersucht, ob dieses Produkt genauso gut Blutungen verhindern kann wie eine übliche Prophylaxe mit rekombinantem Faktor VIII.  Dr. Pierce, ebenfalls bei Bayer in der Forschung und Entwicklung tätig, zeigte im letzten Vortrag, wie  die Forscher versuchen, durch Abwandlungen der Gerinnungsfaktoren eine längere Verweildauer im Blut, eine bessere Stabilität gegen Abbau oder auch eine höhere Wirksamkeit zu erreichen – viele interessante Ansatzpunkte, um die Therapiemöglichkeiten und damit auch die Lebensqualität der Betroffenen zukünftig weiter zu verbessern.

Hemmkörper und Prophylaxe zählten auch zu den Themen des zweiten von BayerSchering Pharma veranstalteten Satellitensymposiums auf der WFH, das sich aber vorrangig an Hämophilie-Schwestern und -Assistenten wandte.

Die Hämophilie-Schwestern spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Patienten mit Hemmkörpern, erklärte Kate Khair vom Great Ormond Street Hospital in London. Vor und während der Durchführung einer Immun-Toleranz-Therapie (ITT) erfordert das Management von Blutungen ein für jeden einzelnen Patienten maßgeschneidertes Vorgehen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Hämophilie-Schwestern und Eltern erfordert die ITT, deren anspruchsvolles Behandlungsschema nur dann erfolgreich durchgeführt werden kann, wenn die Eltern sich der Herausforderung bewusst sind und die Therapie unterstützen.

Prophylaxe bei Kindern und bei Erwachsenen mit Hämophilie waren die Titel der Beiträge von Brenda Riske vom Hämophilie-Zentrum in Denver, Colorado (USA) und Karin Lindvall, die in der Abteilung für Gerinnungsstörungen der Universitätsklinik in Malmö, Schweden, arbeitet.

Die inzwischen bis zu 30 Jahre umfassenden Erfahrungen mit Prophylaxe haben belegt, dass bei intensiver Behandlung mit Faktorkonzentraten die Entwicklung von blutungsbedingten Gelenkschäden verhindert werden kann. Ein individualisiertes, aber weniger Therapie-intensives Schema aus Holland schneidet hinsichtlich des Gelenkstatus nicht ganz so gut ab. Den Vergleich des Behandlungserfolgs einer früh einsetzenden, konsequenten Prophylaxe mit einer Behandlung nach Bedarf erlauben heute die Ergebnisse der so genannten „Joint Outcome Study“ (JOS), einer Studie, die den längerfristigen Einfluss der Behandlungsform auf den Gelenkstatus untersuchte. Die Bewertung ist eindeutig: bei Jungen mit schwerer Hämophilie A kann – im Gegensatz zur Bedarfsbehandlung – eine Prophylaxe mit rekombinantem Faktor VIII Gelenkschäden verhindern. Aber lohnt sich eine Prophylaxe auch bei erwachsenen Hämophilie-Patienten? Wie schon in dem ersten Satellitensymposium diskutiert, gehen die Meinungen hier noch auseinander. Wichtige neue Erkenntnisse zu dieser Fragestellung erwartet man sich aber bald aus der Auswertung von Daten eines Patientenregisters in Malmö, in dem für jeden Patienten unter anderem Angaben zur Art der Behandlung und zum Gelenkstatus erfasst werden.

Was bei der Diskussion über Kosten und Nutzen einer Prophylaxe nicht vergessen werden darf, ist das Thema Therapietreue, wie Natalie Duncan vom Hämophilie-Zentrum Indiana berichtete. Durch die hohen Kosten für die intensive Behandlung mit Faktorkonzentrat ist eine Prophylaxe vergleichsweise teuer. Wird sie nicht ganz konsequent eingehalten, könnte  der Behandlungserfolg aber unzureichend sein und eine unzuverlässig durchgeführte Prophylaxe „rechnete sich nicht“. Ein neuer Fragebogen soll helfen, solche Zusammenhänge zu untersuchen.

Insgesamt stand so auch bei den Beiträgen dieses Symposiums der im Titel formulierte Leitgedanke im Vordergrund: aktuelle Problemfelder bei der Behandlung von Hämophilie-Patienten auch aus Sicht der Hämophilie-Schwestern und Assistenten zu diskutieren und so durch den Austausch von Erfahrungen zu lernen, als Behandler den Betroffenen die bestmögliche Betreuung bieten zu können.

Weitere Berichte wurden angefragt bei Baxter,  Novo Nordisk!

(Bildmaterial finden Sie unter den jeweiligen News-Meldungen!)